Vorab war klar es wird viel gelaufen und damit niemand schlapp macht, weil er oder sie zu viel tragen muss, gab es zwei Wochen vorher eine Gruppenstunde zum Thema Rucksack packen – wie es geht und wie nicht. Und mit diesem Wissen ging es dann am Freitag den 28. Juni für sechs Jupis und drei Leiter auf den Weg in das Ungewisse.

 

Mit dem Zug sind wir nach Hann. Münden gefahren und dort wurde lediglich bekannt gegeben, dass wir am Samstag um spätestens 19 Uhr in Witzenhausen sein wollen. Mehr Infos gab es nicht, weder wie wir dorthin kommen, noch wo wir schlafen oder gar was es zu essen gibt. Mit einer Karte der Umgebung ausgestattet gelang es uns einen ungefähren Weg zu finden. „Radwanderweg 27, entlang der Werra“, so lautete das Ergebnis. Gesagt getan!

Mit einigen Pausen gelang es uns am Freitagabend noch gute 11km zu laufen – fast die halbe Strecke bis nach Witzenhausen. Um 22 Uhr 30 sind wir dann, kurz vor dem Sonnenuntergang, in einem kleinen Dorf namens Oberode angekommen. Es kam die Frage auf wo wir denn schlafen würden, die Antwort war „Wissen wir nicht, aber wir werden schon etwas finden.“ und so durften wir nach einigem Fragen, mit der Erlaubnis des örtlichen Bürgermeisters, auf einer Wiese unterhalb des Sportplatzes schlafen. Dort angekommen war auf dem Sportplatz noch ein wenig Betrieb. Es war an dem Tag an wichtiges Fußballspiel und es gab noch reichlich Pizza die uns angeboten wurde. Wir haben uns sehr über das zweite Abendbrot aber auch über die unglaubliche Gastfreundschaft gefreut, mit der uns dort begegnet wurde. Der erste Tag war geschafft und wir auch, so viel es uns allen nicht schwer einzuschlafen.

 

Am Samstagmorgen wurden wir vom sanften zwitschern der Vögel geweckt und nach einem ordentlichen Frühstück ging es weiter auf dem Weg nach Witzenhausen. Der erste Zwischenstopp war in Hedemünden, um frisches Brot und ein wenig aufstrich vom örtlichen Bäcker einzukaufen. Dann ging es weiter entlang der Werra, gegen Mittag kamen wir in ein Dorf namens Ermschwerd. Bei einer sehr freundlichen Familie durften wir unsere Wasservorräte auffüllen, Kirschen vom Baum pflücken und wir bekamen wohl des besten Tipp des Tages: „Wenn ihr den Weg, den ihr gekommen seid, wieder zurück lauft und dann nicht rechts zur Werra abbiegt sondern noch ein paar hundert Meter weiter an der Straße entlang lauft und dann bei der nächsten Gelegenheit rechts abbiegt, dann kommt ihr zu einem kleinen Badesee – der wird euch gefallen!“. Wir dachten uns was gibt es denn besseres als einen See, um sich bei 32°C zu erfrischen? – Es war traumhaft, genau das was wir jetzt brauchten! Nachdem wir dort sehr wohltuende zwei Stunden verbracht hatten ging es wieder weiter auf dem Weg nach Witzenhausen. Und so kam es, dass wir um etwa 17 Uhr an unserem Ziel angekommen sind. Dadurch dass wir noch sehr viel Zeit hatten gab es für uns die einzige warme Mahlzeit des Wochenendes und wir konnten noch einkaufen, bevor wir das Geheimnis gelüftet haben weshalb wir überhaupt nach Witzenhausen wollten. 

„Wir wollen mit euch heute Abend ins Kino, im Capitol wird der Reisefilm „Weit“ aufgeführt, in dem ein junges Paar, so ähnlich wie wir, nur mit ihren Rucksäcken für vier Jahre einmal um die komplette Welt zieht, ohne auch nur einmal zu fliegen.“. Die Begeisterung war groß und als noch die Info kam das auch die Leute, welche die Filmmusik gemacht haben, ein kurzes Konzert vorab geben würden und danach die beiden Hauptdarsteller für ein paar Fragen da sein werden, konnte es nicht besser werden. Freundlicher Weise hat uns das Kino selbst für diese Aktion mit einer Spende von 100€ unterstützt, ohne diese wäre der Besuch für uns nicht möglich gewesen – vielen Dank an euch liebes Capitol-Team! Und wir wurden nicht enttäuscht, es war ganz großes Kino und für uns der perfekte Film zu diesem Wochenende – zwei Menschen die uns ihr ganz persönliches Abenteuer, in dem sie zu keiner Zeit morgens wissen wo wie abends schlafen werden, präsentiert haben.

Da wir auch für diese Nacht noch eine Unterkunft brauchten haben sich zwei der Kinder nach vorne getraut und in das Publikum gefragt, ob jemand eine Idee hat wo wir unterkommen könnten. Die Antwort kam sofort: „Auf dem Balkon des Bootshauses könnt ihr schlafen, ich bringe euch hin.“. Gegen Ende des Filmgesprächs hat uns ein Zettel erreicht, dass wir in 10 Minuten abgeholt werden. Dort angekommen haben wir unser Quartier bezogen, unter freiem Himmel, Wind geschützt, direkt an der Werra und mit sanitären Anlagen – besser hätte es nicht sein können. So ging für uns der zweite absolut atemberaubend Tag zu ende, an dem wir etwa 15km gelaufen sind und das bei guten 30°C die es den gesamten Tag über hatte.

 

Der Sonntag begann für uns damit einen Plan zu schmieden wie wir wieder nach Göttingen kommen, den Bahnhof in Eichenberg zu nehmen war sehr naheliegend. Da wir keinen Umweg laufen wollten hatten wir den Plan eine Fußgängerbrücke im Westen von Witzenhausen zu nutzen, um über die Werra zu gelangen. Bevor wir dann aufgebrochen sind hieß es nochmals „Alle Trinkflaschen auffüllen und schmiert euch bitte mit Sonnencreme ein, es wird heiß!“. Wie versprochen wurde es heiß und zwar so richtig! Der bisher wärmste Tag des Jahres mit Spitzentemperaturen von etwa 37°C in unserer Gegend. 

Als wir an der Fußgängerbrücke angelangt sind durften wir feststellen, dass diese gesperrt war, auf den Tipp einer Passantin hin sind wir dann über die alte Eisenbahnbrücke, ein paar Meter daneben, gelaufen. Als wir oben auf der Brücke standen war uns klar, dass dies der perfekte Ort für ein Versprechen ist. Drei der Kinder haben dort ihr Jungpfadfinderversprechen abgelegt und ihr blaues Halstuch erhalten. 

Von dort ging es nach Unterrieden, wo wir erneut unsere Wasservorräte aufgefüllt haben. Dort haben wir uns dazu entschieden den möglichst direkten Weg nach Eichenberg-Bahnhof zu nehmen, dieser ging zumindest zu Teilen durch den Wald, wo wir auf ein wenig Schatten gehofft haben. Der Weg war allerdings am Anfang bloß seit Jahren nicht mehr genutzt worden und später war er überhaupt nicht mehr aufzufinden. So kam es, dass wir das letzte Drittel mehr oder minder querfeldein gewandert sind bis wir schließlich doch noch an dem Bahnhof angekommen sind. 

Im Zug wurde uns allen bewusst, dass schon wieder ein Wochenende vorüber gegangen ist, aber was für eins! Ein Abenteuer für ein jeden von uns. Überglücklich aber auch total geschafft sind wir dann nach drei Tagen und knappen gut 37km zu Fuß wieder in Göttingen angekommen und eins ist sicher – das nächste Abenteuer wird kommen!